Essstörungen (Magersucht, Bulimie, Binge-Eating-Syndrom)

Ursachen: Was sind die Ursachen von Essstörungen?

Essstörungen sind psychosomatische Erkrankungen, die sich durch ein gestörtes Verhältnis zur Nahrungsmittelaufnahme äußern. Obwohl die Ausprägungen von Essstörungen sehr verschieden sind, unterscheiden sich ihre Ursachen nicht wesentlich voneinander. Sie sind alle nichtkörperlichen Ursprungs.

Mögliche Einflussfaktoren, die Essstörungen begünstigen können, sind:

  • Das schlanke Schönheitsideal in den westlichen Industrieländern
  • Essgewohnheiten in der Familie
  • Konflikte in der Familie
  • Probleme mit der Übergangsphase von der Kindheit zum Erwachsensein
  • Mangelndes Selbstwertgefühl
  • Sexueller Missbrauch

Die Häufigkeit von Essstörungen vor allem bei Mädchen und jungen Frauen nimmt zu. Schätzungsweise leiden ungefähr 1 Prozent von ihnen an Magersucht (Anorexia nervosa) und bis zu 3 Prozent an Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa). Damit sind sie zehnmal häufiger von diesen Störungen betroffen als Jungen und junge Männer.

Auch Essstörungen mit Heißhungeranfällen (Binge-Eating-Syndrom) kommen bei Frauen häufiger als bei Männern vor, jedoch ist der Anteil betroffener Männer im Gegensatz zu den anderen Essstörungen deutlich höher. An dieser Störung leiden zwischen einem und drei Prozent der Allgemeinbevölkerung.

Beschwerden: Wie äußern sich Essstörungen?

Zu den häufigsten Essstörungen gehören die Magersucht (Anorexia nervosa), Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und die Essstörung mit Heißhungerattacken (Binge-Eating-Syndrom).

Magersucht (Anorexia nervosa)

Die Gewichtsreduzierung steht bei der Magersucht im Vordergrund. Dabei kommt es häufig zu extremen Gewichtsabnahmen. Obwohl sie untergewichtig sind, haben die Betroffenen das Gefühl, zu dick zu sein. Sie kontrollieren ihr Gewicht zwanghaft und essen nur sehr spärlich oder fasten. Ihre Erkrankung ist ihnen nicht bewusst. Der Body-Mass-Index (BMI) liegt unter 17,5 (Normalgewicht: BMI zwischen 19 und 25). Um ein niedriges Gewicht zu erreichen oder zu halten, treiben die Betroffenen oft exzessiv Sport.

Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)

Diese Essstörung ist durch regelmäßige Essanfälle mit anschließenden Gegenmaßnahmen, zum Beispiel Erbrechen oder die Verwendung von Abführmitteln, gekennzeichnet. Ess-Brech-Süchtige sind oft normalgewichtig, jedoch dreht sich in Gedanken alles ums Essen. Während einer Heißhungerattacke werden oft mehrere Tausend Kalorien verzehrt.

Essstörung mit Heißhungeranfällen (Binge-Eating-Syndrom)

In regelmäßigen Abständen auftretende Essanfälle, während der in einem begrenzten Zeitraum unnormal viel verzehrt wird, nennt man Binge-Eating-Anfälle. Im Gegensatz zur Ess-Brech-Sucht wird das Verspeiste anschließend nicht wieder erbrochen. Die Betroffenen verspüren jedoch einen hohen Leidensdruck wegen des Kontrollverlusts während der Anfälle und der verzehrten Kalorien. Sie sind häufig übergewichtig.

Wer unter Essstörungen leidet, versucht in der Regel, dies so lange wie möglich vor seiner Umwelt (Familie, Freunde) geheim zu halten. Vor allem bei der Magersucht lassen sich die Beschwerden mit Fortschreiten der Krankheit jedoch nicht mehr verbergen: Dazu gehören Wachstumsstörungen in der Pubertät, extremes Untergewicht mit zugehörigem Schwächegefühl und abnehmender Belastbarkeit. Die Menstruation bleibt aus, die Haare werden dünner – der Körper zeigt diverse Symptome von Unterernährung wie die Abnahme der Knochendichte (Osteoporose). Auch Organschädigungen sind mögliche Folgen.

Eine Ess-Brech-Sucht verursacht durch Abführmittel oder künstlich herbeigeführtes Erbrechen Mangelerscheinungen im Vitamin- und Mineralstoffhaushalt. Außerdem kommt es zu Säureschäden an den Zähnen, Karies, Schädigungen der Speiseröhre und Magen-Darm-Beschwerden. Auch Organschäden können die Folge der ständigen Belastung durch übermäßiges Essen und anschließendes Erbrechen oder Abführen sein.

Magersüchtige und Ess-Brech-Süchtige trinken häufig zu wenig. Mit der zwanghaften Kontrolle des Essverhaltens geht oft auch das Durstgefühl verloren. Durch den Flüssigkeitsmangel können Störungen im Wasserhaushalt auftreten, zum Beispiel Austrocknung, Wassereinlagerungen und Nierenprobleme.

Da ein Binge-Eating-Syndrom oft mit Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas) einhergeht, treten häufig als Folge Beschwerden durch Herz- und Kreislauferkrankungen, Gelenkschäden und Stoffwechselerkrankungen, zum Beispiel Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) auf.

Diagnose: Wie werden Essstörungen diagnostiziert?

Zunächst gibt die Besprechung der Krankheitsgeschichte (Anamnese) eindeutige Hinweise auf eine Essstörung. Ein sehr ausführliches und einfühlsames Gespräch mit dem Betroffenen und gegebenenfalls seinen Angehörigen (wie Eltern) ist wichtig. Größe, Gewicht (Berechnung des Body-Mass-Index unter Berücksichtigung des Alters) und der allgemeine körperliche Zustand geben weitere Hinweise auf eine Essstörung. Deuten zusätzliche körperliche Befunde ebenfalls auf eine Essstörung hin, empfiehlt sich eine psychologische Untersuchung im Anschluss.

Behandlung: Wie können Essstörungen behandelt werden?

Je nach Schwere und Art der Essstörung gilt es, weitere körperliche Schädigungen zu verhindern. Bei Magersucht ist das erste Ziel der Behandlung eine Gewichtszunahme. Besonders bei starker Auszehrung muss diese langsam erfolgen, um Organschäden zu vermeiden. Unabdingbare Grundlage für jede Therapie ist die Motivation des Betroffenen, der Essstörung entgegenzuwirken. Darauf aufbauend ist eine Kombination aus psychologischer und gegebenenfalls medikamentöser Behandlung empfehlenswert. Da eine Therapie der Essstörungen dauerhaft nur erfolgreich sein kann, wenn die Ursache angegangen wird, besteht der psychologische Behandlungsansatz aus verhaltenstherapeutischer, kognitiver und psychodynamisch orientierter Therapie. Solche Therapien sind ambulant, stationär oder im Rahmen einer Kur möglich. Auch das Üben eines normalen Essverhaltens gehört zur Behandlung. In schweren Fällen von Magersucht ist eine Zwangsernährung notwendig.

Prognose: Wie ist die Prognose von Essstörungen?

Die Prognose von Essstörungen ist sehr unterschiedlich und richtet sich nach ihrer Schwere und Ausprägung. Rückfälle sind, wie auch bei anderen Suchterkrankungen, möglich. Die Essstörung kann chronisch werden. Bei Magersucht gilt: Je niedriger das Ausgangsgewicht bei Therapiebeginn ist, desto ungünstiger sind die Heilungschancen.

Vorbeugung: Wie kann man Essstörungen vorbeugen?

Wegen der Vielzahl von Faktoren, die bei der Entstehung von Essstörungen eine Rolle spielen, gibt es keine generelle Vorbeugungs-Empfehlung. Erlerntes, gesundes Essverhalten mit regelmäßigen Mahlzeiten, das Ansprechen von Problemen und Konfliktlösungen können jedoch ein wichtiger Schritt sein, um einer Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder einem Binge-Eating-Syndrom vorzubeugen.

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Datum der letzten Aktualisierung: Oktober 2017
Quellen:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): https://www.bzga-essstoerungen.de/ (Abruf: 10/2017)
Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2017
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (DGPM),
des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM) et al.: Diagnostik und Therapie der Essstörungen (F50). AWMF-Leitlinien-Register Nr. 051/026 (Stand: 12/2010)