Tourette-Syndrom (Gilles-de-la-Tourette-Syndrom)

Ursachen: Was sind die Ursachen eines Tourette-Syndroms?

Das Tourette-Syndrom (Gilles-de-la-Tourette-Syndrom) ist eine neurologische beziehungsweise psychologische Erkrankung, die sich durch plötzliche, unwillkürliche und nicht steuerbare Tics äußert. Es handelt sich um eine besonders schwere Sonderform von Tic-Störungen. Typisch für die Erkrankung sind motorische Zwangshandlungen, zwanghafte Wortwiederholungen (Echolalie und Palilalie) und verbale, oft obszöne Zwangsäußerungen (Koprolalie), die jedoch nicht bei allen Tourette-Betroffenen auftreten.

Bei Kindern treten häufig leichte und vorübergehende Tics auf. Jungen sind drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen. In der Regel verschwinden die Tics innerhalb eines Jahres von alleine und das Kind entwickelt sich normal weiter. Halten die Tics länger als zwölf Monate an, kann es sich zu einer chronischen Tic-Störung und in seltenen Fällen zu einem Tourette-Syndrom entwickeln.

Die Ursachen des Tourette-Syndroms sind medizinisch nicht vollständig geklärt. Vermutlich hängen die Tics mit einer Stoffwechselstörung im Gehirn zusammen. Die Neurotransmitter (Botenstoffe im Gehirn) Dopamin und Serotonin sind bei Tourette-Betroffenen besonders aktiv. Wahrscheinlich gibt es eine genetische Komponente. Die Möglichkeit, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handeln könnte, wird derzeit noch erforscht. Auch die Psyche kann eine erhebliche Rolle beim Tourette-Syndrom und bei der Intensität der Tics spielen.

Beschwerden: Wie äußert sich das Tourette-Syndrom?

Die Symptome des Tourette-Syndroms sind verschiedenartige motorische oder vokale Tics, die sich in unregelmäßigen Abständen wiederholen:

Einfache motorische Tics, zum Beispiel:

  • Blinzeln
  • Naserümpfen
  • Nicken oder Kopfschütteln
  • Muskelzuckungen

Einfache vokale Tics, zum Beispiel:

  • Räuspern, Husten
  • Laute ausstoßen
  • Tiergeräusche nachahmen

Komplexe motorische Tics, zum Beispiel:

  • Grimassen schneiden
  • Aufspringen
  • Selbstverletzung durch Schlagen oder Ziehen an den Haaren

Komplexe vokale Tics:

  • Wiederholen von Wörtern (Echolalie)
  • Ausstoßen oder Ausschreien von obszönen Wörtern (Koprolalie)

Die Symptome des Tourette-Syndroms treten in unregelmäßigen Abständen, meist tagsüber und attackenartig auf. Emotionale Belastung und Stress können die Tics auslösen und sie verstärken. Auch das dauernde Unterdrücken der Tics kann zu einer anschließenden heftigen Tourette-Attacke führen. Was aber genau die Häufigkeit und die Stärke der Symptome bestimmt, ist unklar. In den meisten Fällen sind die Betroffenen symptomfrei während sie schlafen.

Oftmals leiden Menschen mit Tourette-Syndrom an weiteren psychischen Störungen, wie zum Beispiel einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Zwangsstörungen oder Depressionen.

Diagnose: Wie wird das Tourette-Syndrom diagnostiziert?

Klinische Untersuchungsmethoden, um das Tourette-Syndrom sicher zu diagnostizieren, gibt es nicht. Die Diagnose beruht auf Beobachtungen und auf dem Ausschlussverfahren anderer neurologischer Krankheiten, wie zum Beispiel der Epilepsie (Fallsucht). Nach einem ausführlichen Gespräch über die Symptome, mögliche Vorerkankungen usw. wird der Arzt mit Hilfe einer Elektroenzephalografie (EEG, Messung der Gehirnaktivität) bestimmen, ob eine neurologische Erkrankung als Ursache der Tic-Störung vorliegt. Wie schwerwiegend die Tics sind, wird durch Befragung und Beobachtung ermittelt. Das Tourette-Syndrom gilt als diagnostiziert, wenn mindestens zwei motorische und ein vokaler Tic vorliegen und es keine Phase gab, in der der Betroffene länger als drei aufeinander folgende Monate ticfrei war.

Behandlung: Wie kann das Tourette-Syndrom behandelt werden?

Die Therapie des Tourette-Syndroms hängt zunächst von der Schwere der Erkrankung ab. Grundsätzlich kann die Krankheit nicht geheilt, sondern nur die Symptome gelindert werden. Autogenes Training und andere Entspannungstechniken ermöglichen es, die Tics bei einer drohenden Attacke besser zu kontrollieren und ihnen entgegenzuwirken.

Der Kontakt zu anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder eine individuelle Psychotherapie helfen Betroffenen, mit den gesellschaftlichen Problemen umzugehen, die das Tourette-Syndrom mit sich bringt. Die Reaktionen der Umwelt auf die Tics sind beim Tourette-Syndrom oft belastender als die Symptome selbst. Da das Tourette-Syndrom vielen Menschen nicht bekannt ist, deuten sie beispielsweise einen vokalen Tic als „freches Benehmen“ oder einen motorischen Tic als „schlechte Angewohnheit“. Besonders wichtig ist daher eine eingehende Beratung und Aufklärung der Betroffenen, aber auch ihres Umfelds (Psychoedukation).

In schweren Fällen kann eine medikamentöse Behandlung mit sogenannten Neuroleptika die Tics vermindern. Sind die Tics besonders häufig und stark ausgeprägt, kann das Einsetzen eines Hirnschrittmachers (Tiefe Hirnstimulation) Abhilfe schaffen. Der Schrittmacher wird ins Gehirn eingepflanzt, erkennt drohende Tics und wirkt ihnen mit Elektroimpulsen entgegen. Eine langfristige Erfolgsbeurteilung über diese neurochirurgische Methode gibt es nicht, da sie beim Tourette-Syndrom noch nicht häufig durchgeführt worden ist.

Prognose: Wie ist die Prognose des Tourette-Syndroms?

In den meisten Fällen treten die für das Tourette-Syndrom typischen Tics erstmals zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr auf. Selten beginnen Tics in der Pubertät oder im späteren Alter. Im Kindesalter sind Tic-Störungen nicht ungewöhnlich. Sie verschwinden in der Regel innerhalb eines Jahres und bleiben folgenlos. Halten sie länger als zwölf Monate an, ist es in jedem Fall ratsam, einen Arzt aufzusuchen.

Wie sich das Tourette-Syndrom entwickelt, ist kaum vorauszusagen. Im Verlauf kann es zeitweise zur Verschlimmerung der Symptome kommen, häufig in der Pubertät. Bei einer frühen Diagnose und entsprechender Behandlung lernt der Betroffene, immer besser mit den Tics umzugehen; die Symptome können sich verbessern und sogar zurückbilden.

Vorbeugung: Wie kann man dem Tourette-Syndrom vorbeugen?

Da die medizinischen Ursachen für das Tourette-Syndrom noch nicht geklärt sind, sind keine vorbeugenden Maßnahmen bekannt. Häufig führen emotionale oder stressige Situationen zu einem Tic oder zu einer Tic-Attacke. In belastenden Situationen und bei anhaltender Anspannung und Stress können beispielsweise Autogenes Training und andere Entspannungsmethoden helfen. Sie führen zur Muskelentspannung und können dazu beitragen, einen Tic zu vermeiden.

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Datum der letzten Aktualisierung: November 2017
Quellen:
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Tics. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 030/012 (Stand: 09/2012)
Schweizerische Gesellschaft für Verhaltens- und Kognitive Therapie: www.sgvt-sstcc.ch (Abruf: 11/2017)
Steinhausen, H.-C.: Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Urban & Fischer, München 2010
Tourette-Gesellschaft: www.tourette-gesellschaft.de (Abruf: 11/2017)