Die Wahl des Geburtsorts: Wo soll mein Kind zur Welt kommen?

Fast alle werdenden Eltern stellen sich im Verlauf der Schwangerschaft die Frage: Wo soll unser Baby geboren werden? Die Entscheidung fällt oft nicht leicht, wird sie doch von vielen Faktoren wie dem Wunsch nach Sicherheit, aber auch nach Privatsphäre und einer selbstbestimmten Geburt beeinflusst. Grundsätzlich hat jede Frau per Gesetz das Recht, den Geburtsort selbst zu wählen.

Möchte man sein Kind nicht in einer Klinik zur Welt bringen, stehen neben der Hausgeburt mit Hebammenbetreuung auch Geburtshäuser zur Verfügung. In Deutschland entscheiden sich nur ca. 1,5 Prozent aller Schwangeren für die sogenannte außerklinische Geburt, während es in den Niederlanden fast 30 Prozent sind. Eine in England herausgegebene Leitlinie empfiehlt sogar die außerklinische Geburt für normal verlaufende Schwangerschaften, da weniger Eingriffe in den Geburtsverlauf erfolgen, das Komplikationsrisiko aber nicht erhöht ist. Auch in Deutschland ist die Versorgungsqualität bei außerklinischer Geburt mindestens so gut wie in der Klinik. Manchmal ist eine Entbindung der Klinik jedoch unumgänglich. Allerdings gibt es nicht „die“ typische Geburtsklinik – die Unterschiede sind zum Teil groß.

Es gibt also viel zu beachten bei der Wahl des Geburtsorts, und die Entscheidung sollte individuell getroffen werden. Die folgende Übersicht geht auf die jeweiligen Besonderheiten ein und gibt somit eine erste Orientierung, welcher Geburtsort in Frage kommt.

Größtmögliche Sicherheit: Die Geburt in einer Klinik

Liegt eine Risikoschwangerschaft vor, etwa bei Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes), Mehrlingsschwangerschaft oder drohender Frühgeburt, ist eine Entbindung in der Klinik nötig. Aber auch viele Frauen mit normal verlaufender Schwangerschaft entscheiden sich für die Klinik als Geburtsort, weil sie sich durch die direkte Anwesenheit von Ärzten sicherer fühlen. Auch möchten viele Frauen auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Schmerzlinderung zurückgreifen können, die nur in Kliniken angeboten werden.

Nicht zuletzt entscheiden sich viele Ärzte, aber auch manche Frauen, im Zweifel eher für als gegen einen Kaiserschnitt, zum Beispiel bei einer Beckenendlage des Kindes. Hier sollte allerdings genau abgewogen werden, ob ein Kaiserschnitt medizinisch wirklich notwendig ist, denn es handelt sich um einen operativen Eingriff mit entsprechenden Risiken. Deutschland weist europaweit mit die höchste Kaiserschnittrate auf – ein Umstand, der kritisch hinterfragt werden sollte.

Auf besondere Fälle vorbereitet: Level-1- bis Level-3-Kliniken

Einige Geburtskliniken sind auf die Versorgung zu früh geborener Kinder und Risikoschwangerschaften spezialisiert:

  • Level-1-Zentren: In diesen Kliniken werden Frühgeborene versorgt, die vor der 30. Schwangerschaftswoche geboren werden, beziehungsweise weniger als 1.250 Gramm wiegen, oder Mehrlinge ab drei Kindern. In Level-1-Zentren sind Kreißsäle direkt mit Operationssälen und Neugeborenen-Intensivstationen verbunden und es ist ständig ein Neugeborenen-Notarzt verfügbar.
  • Level-2-Zentren: Frühgeborene ab der 31. Schwangerschaftswoche, Zwillinge oder Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) werden in Level-2-Zentren betreut. Diese sind ähnlich ausgestattet wie Level-1-Zentren, verfügen jedoch über weniger Intensivplätze für Neugeborene.
  • Klinik mit perinatalem Schwerpunkt (Level-3-Zentren): Hier gibt es keine Intensivstation für Neugeborene, es stehen aber Kinderärzte zur Verfügung, die auftretende Notfälle nach der Geburt versorgen können.

Einfühlsamkeit: Kliniken gehen neue Wege

Die Initiative „Babyfreundlich“ von WHO und UNICEF zertifiziert solche Kliniken, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, eine gute Eltern-Kind-Bindung zu fördern. Auch wenn die meisten Kliniken mittlerweile Rooming-In praktizieren und Mütter beim Stillen unterstützen, ist dies keine Selbstverständlichkeit im Klinikalltag. Der Unterschied zeigt sich im Detail – so werden zum Beispiel in zertifizierten Kliniken Kindern keine künstlichen Sauger gegeben, die die Stillbeziehung negativ beeinflussen könnten, und Mütter werden über die Wichtigkeit frühkindlicher Bindung informiert. Einige Kliniken betreiben außerdem Hebammen-Kreißsäle. Dort kann man, ganz ähnlich einer außerklinischen Geburt, ausschließlich mit der Hilfe einer Hebamme entbinden.

Wer die Sicherheit der medizinischen Versorgung in einer Klinik unter der Geburt wünscht, nach einem normalen Geburtsverlauf aber zu Hause in gewohnter Umgebung sein möchte, hat in manchen Kliniken die Möglichkeit einer ambulanten Geburt. Es erfolgt keine stationäre Aufnahme, nach einigen Stunden der Erholung kann man die Klinik verlassen.

Eins-zu-Eins-Hebammen-Betreuung: Das Geburtshaus

Im Klinikalltag sind eine gewisse Hektik und Anonymität oft nicht zu vermeiden. Eine Frau sollte sich bei einer Geburt aber sicher und geschützt fühlen, ihre Intimsphäre und Selbstbestimmung gewahrt werden, denn diese Faktoren beeinflussen den Geburtsverlauf. Deshalb stehen viele Frauen einer Entbindung in der Klinik kritisch gegenüber, möchten aber auch keine Geburt zu Hause.

Von Hebammen betriebene Geburtshäuser bieten diesen Frauen eine Alternative. Vorausgesetzt, die Schwangerschaft verläuft normal – was bei rund 90 Prozent aller Schwangerschaften der Fall ist – kann man im Geburtshaus in ruhiger, persönlicher Atmosphäre sein Kind zur Welt bringen. Geburtshäuser befinden sich meist in der Nähe von Kliniken. Die Hebammen wägen sehr sorgfältig ab, ob die Geburt gefahrlos im Geburtshaus erfolgen kann oder ob eine Verlegung in die Klinik erfolgen muss.

Wenn Geborgenheit das Wichtigste ist: Die Hausgeburt

Wenn eine Schwangere keine der beschriebenen Einrichtungen aufsuchen möchte und sich in gewohnter Umgebung sicher fühlt, kann eine Hausgeburt die richtige Wahl sein. Auch hier ist eine Hebamme zugegen, die die Frau in der Regel schon während der Schwangerschaft kennengelernt hat. Die Hebamme stellt sicher, dass die Schwangerschaft komplikationslos verläuft und ein normaler Geburtsverlauf zu erwarten ist. Sie entscheidet unter der Geburt, ob eine Verlegung in die Klinik nötig wird.

Die Hebamme kann die Lage des Kindes und seine Herztöne überwachen und einen drohenden Geburtsstillstand erkennen. Von einer Alleingeburt ohne Hebammen-Betreuung sollte daher abgesehen werden.

 

Weitere Informationen

Übersicht „Babyfreundlich“ zertifizierter Krankenhäuser: www.babyfreundlich.org/eltern/kliniksuche.html

Übersicht Geburtshäuser in Deutschland: www.netzwerk-geburtshaeuser.de/liste-der-geburtshaeuser-deutschland

Deutschlandweiter Hebammen-Finder: www.hebammensuche.de/hebammensuchehome.html

 

Autor: Dr. Katja Brennan, Diplom-Biologin
Datum: Dezember 2015
Quellen:
Bertelsmann Stiftung: http://faktencheck-gesundheit.de/de/faktenchecks/kaiserschnitt/ergebnis-ueberblick (Abruf 12/2015)
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/BJNR024820988.html (Abruf 12/2015)
Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V.: www.fruehgeborene.de/sites/default/files/field_pblctn_file/wo-soll-mein-kind-zur-welt-kommen.pdf (Abruf 12/2015)
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): www.familienplanung.de/schwangerschaft/geburt/geburtsort/wahl-des-geburtsortes (Abruf: 12/2015)
Deutscher Bundestag Drucksache 18/900: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/009/1800900.pdf (Abruf 12/2015)
Deutsches Ärzteblatt: www.aerzteblatt.de/blog/61117/England-auf-dem-Weg-zur-Hausgeburt (Abruf 12/2015)
GKV-Spitzenverband: www.gkv-spitzenverband.de/presse/pressemitteilungen_und_statements/pressemitteilung_2019.jsp (Abruf 12/2015)
Westfälische Wilhelms-Universität Münster: www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/soziales/vertiefung/geburt/hausgeburt.html (Abruf 12/2015)
WHO/UNICEF-Initiative „Babyfreundlich“: www.babyfreundlich.org/fachkraefte/fachinformationen/downloads-dokumente.html (Abruf 12/2015)