Wachstumsstörungen

Wenn die Größenentwicklung eines Kindes stark von der Norm abweicht, liegt eine Wachstumsstörung vor. Die Ursachen für Klein- oder Großwuchs sind vielfältig: Erbkrankheiten, chronische Entzündungen, Hormonprobleme oder Ernährungsfehler. Lesen Sie, wie der Kinderarzt eine Wachstumsstörung feststellt und welche Behandlung möglich ist.

Ursachen: Was sind die Ursachen von Wachstumsstörungen?

Eine Wachstumsstörung liegt vor, wenn die Größenentwicklung des Kindes stark von der Norm abweicht. Klein- oder Großwuchs ist insgesamt selten. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich. Wachstumsstörungen können erblich bedingt sein und durch Chromosomenabweichungen (z.B. Prader-Willi-Syndrom) verursacht werden. Zudem können zahlreiche chronische Erkrankungen Wachstumsstörungen hervorrufen: Herz-, Lungen- und Darmerkrankungen, Nieren- und Leberfunktionsstörungen sowie chronische Entzündungen (beispielsweise rheumatische Erkrankungen) und Stoffwechselerkrankungen (wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)). Selten haben Wachstumsstörungen eine ernährungsbedingte Ursache, etwa einen extremen Vitamin- und Mineralstoffmangel.

Auch Hormonstörungen können die Ursache für Wachstumsstörungen sein. Im Gehirn wird in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) unter anderem das Wachstumshormon STH (somatotropes Hormon) gebildet. Verschiedene Erkrankungen (zum Beispiel ein Hirntumor) können die Bildung des Hormons behindern oder beschleunigen. Auch können „nachgeschaltete“, ebenfalls am Wachstum beteiligte Hormone oder Hormonempfänger betroffen sein, etwa die Schilddrüse oder die Nebennieren. Die Folge sind Wachstumsstörungen.

Neben diesen Ursachen können auch zahlreiche Faktoren in der Schwangerschaft zu Wachstumsstörungen beim ungeborenen Kind führen, etwa Erkrankungen der Mutter, Medikamentenkonsum, Bestrahlung oder Suchtmittel-Missbrauch. Eine Sonderform der Wachstumsstörung ist der sogenannte psychosoziale Minderwuchs, der durch eine psychische Vernachlässigung des Kindes verursacht wird.

Beschwerden: Wie äußern sich Wachstumsstörungen?

Die Wachstumsentwicklung von Kindern ist sehr unterschiedlich – nicht immer, wenn ein Kind eine Zeit lang im Vergleich zu Gleichaltrigen auffallend groß oder klein ist, leidet es an Wachstumsstörungen. Entscheidend ist das Wachstum im Verlauf der Entwicklung. Ist ein Kind im Kindergartenalter auffällig klein oder groß, wächst aber mit als normal geltender Geschwindigkeit (das heißt jährlich etwa fünf bis sieben Zentimeter), zeichnet sich ein Klein- oder Großwuchs ab.

Diagnose: Wie werden Wachstumsstörungen diagnostiziert?

Der Kinderarzt erkennt Wachstumsstörungen an speziellen Koordinatensystemen, in die er im Rahmen der Vorsorge-Untersuchungen Größe und Gewicht des Kindes einträgt. In dieser Wachstumstabelle sind Richtwerte eingetragen, die einen Normbereich bilden. Solange das Wachstum des Kindes im Normbereich liegt – egal, ob im unteren oder oberen – liegen keine Wachstumsstörungen vor. Auch kurzfristige zu kleine oder zu große Werte deuten noch nicht auf eine Wachstumsstörung hin. Neben dieser Kontrolle des Gewichts und der Größe erfragt der Arzt die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten und eventuelle Auffälligkeiten sowie Vorerkrankungen des Kindes.

Besteht der Verdacht auf Wachstumsstörungen, veranlasst der Arzt weitere Untersuchungen. Durch eine Röntgen-Untersuchung kann das biologische Alter anhand des Knochenalters beurteilt werden. Ist ein Kind beispielsweise auffällig klein und sein biologisches Alter ist dem „echten“ Alter um zwei Jahre hinterher, kann man davon ausgehen, dass das Kind noch ein großes Wachstumspotenzial hat. Hat der Arzt den Verdacht, dass es sich um eine hormonelle Störung handelt, lässt er die entsprechende Hormonkonzentration im Blut mittels Blut-Untersuchungen bestimmen. Bei erblich bedingten Wachstumsstörungen können spezielle genetische Analysen Aufschluss darüber geben, welche Störung genau vorliegt, zum Beispiel beim Klinefelter-Syndrom.

Behandlung: Wie können Wachstumsstörungen behandelt werden?

Nicht alle Wachstumsstörungen können behandelt werden. Wichtig ist, dass die Ursache der jeweiligen Wachstumsstörung bekannt ist, sodass der Arzt – wenn möglich – die entsprechende Therapie einleiten kann. Sind Wachstumsstörungen durch Hormonstörungen verursacht, empfiehlt sich eine Hormontherapie. Bei Kleinwuchs lässt sich der Hormonhaushalt durch regelmäßige Tabletteneinnahme oder Spritzen ausgleichen und die Körpergröße des Kindes damit normalisieren. Welches Hormon zusätzlich verabreicht werden muss, ist unterschiedlich. Möglich sind Wachstumshormone, Schilddrüsenhormone und Sexualhormone.

Bei familiärem Großwuchs kann eine Behandlung mit Sexualhormonen (Östrogene bei Mädchen, Testosteron bei Jungen) helfen. Dadurch kann jedoch die Pubertät frühzeitig einsetzen – unter Umständen belastet dies das Kind stärker als der Großwuchs. In einigen Fällen kann auch eine Operation an der sogenannten Wachstumsfuge des Knochens (Epiphysenfuge) notwendig sein, um das Wachstum zu stoppen.

Prognose: Wie ist die Prognose von Wachstumsstörungen?

Die Prognose von Wachstumsstörungen hängt von der Ursache ab. Ist die Ursache behandelbar, können die Wachstumsstörungen häufig behoben werden. Hormonbehandlungen dauern in der Regel bis zum Ende des Wachstums an. Die Therapie bedarf einer strengen Kontrolle. Für viele Kinder stellt dies eine psychische Belastung dar.

Vorbeugung: Wie kann man Wachstumsstörungen vorbeugen?

Wachstumsstörungen kann man nicht vorbeugen. Ein regelmäßiges Messen und Wiegen des Kindes ermöglicht die frühzeitige Diagnose einer Wachstumsstörung. In der Regel führt der Kinderarzt diese Untersuchungen im Rahmen der kindlichen Vorsorge-Untersuchungen durch. Eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung sind generell für die gute Entwicklung von Kindern empfehlenswert, um Wachstumsstörungen durch Vitamin- oder Mineralstoffmangel vorzubeugen.

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Datum der letzten Aktualisierung: November 2017
Quellen:
Karges, B. et al.: Pädiatrie. Springer, Heidelberg 2010
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie et al.: Wachstumshormonmangel im Kindes- und Jugendalter, Diagnostik. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 089/001 (Stand 07/2014)
Menche, N.: Gesundheit für Kinder. Kösel, München 2010
Sitzmann, F.C. (Hrsg.): Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012