Altersdiabetes – die neue “Kinderkrankheit”?

Lange Zeit galt Diabetes mellitus Typ 2 als Krankheit des höheren Lebensalters. Doch erkranken immer mehr Jugendliche und sogar Kinder am „Altersdiabetes“. Erfahren Sie, worin Ursachen liegen, wie Sie einen Diabetes bei Ihrem Kind erkennen und was Sie als Eltern dagegen tun können.

Diabetes mellitus Typ 2: Längst keine Alterskrankheit mehr

„Altersdiabetiker“ – so nannte man früher Menschen, die in höherem Lebensalter eine bestimmte Form von Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) bekamen: den Diabetes mellitus Typ 2. Er wird vor allem durch eine ungesunde Lebensweise mit Übergewicht und Bewegungsmangel ausgelöst.

In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Fälle von Diabetes mellitus Typ 2 auch bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert. Somit ist Typ-2-Diabetes längst nicht mehr nur auf das höhere Lebensalter beschränkt, und der frühere Begriff „Altersdiabetes“ ist mittlerweile überholt. Parallel dazu fällt auf, dass immer mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig oder sogar fettleibig („adipös“) sind.

In Deutschland erkranken rund 200 Kinder jährlich neu an Typ-2-Diabetes. Einige dieser jungen Patienten haben bereits leichte diabetische Folgeschäden, zum Beispiel Nierenprobleme. Ein Blick über den großen Teich zeigt eine Entwicklung, die keine Panik schüren soll, aber den Ernst der Lage verdeutlicht: In den USA stieg die Zahl der Typ-2-Diabetiker im Kindes- und Jugendalter in den letzten 20 Jahren um das Zehnfache.

Die ersten Anzeichen des Typ-2-Diabetes tun nicht weh und bleiben oft unbemerkt. Dadurch ist die Dunkelziffer der „kleinen Diabetiker“ möglicherweise noch viel höher.

Übergewicht, Bewegungsmangel & Gene – das „krankmachende Trio“

Doch warum bekommen immer mehr Kinder und Jugendliche einen „Altersdiabetes“? Hier ein Überblick über die Ursachen des Typ-2-Diabetes:

Übergewicht: Ernährungswissenschaftler beklagen, dass der Lebensstil in Deutschland bei Familien und Jugendlichen immer schnelllebiger wird. Gemütliches Zusammensitzen bei Tisch mit einem kommunikativen Austausch der Familienmitglieder ist eine Seltenheit geworden – von einer kleinen Hilfe der Sprösslinge beim Tischdecken oder Kochen mal ganz abgesehen. Manchmal fehlt schon morgens die immer noch wichtigste Mahlzeit am Tage: das Frühstück. Nach der Schule und den Hausaufgaben hängen viele Kinder und Jugendliche lieber stundenlang vor dem Computer, statt sich in Sportvereinen oder in der freien Natur mit ihresgleichen körperlich auszupowern. Fast Food, Knabbereien und Süßigkeiten gehören zum festen Bestandteil solcher fiktiven Bildschirm-Spiele. Die Folge: Übergewicht oder gar Adipositas (= Fettleibigkeit) ist bei vielen Kindern und Jugendlichen vorprogrammiert – eine der Hauptursachen für Diabetes mellitus Typ 2.

Wissenschaftlich besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der so genannten Insulin-Resistenz und zunehmendem Fettgewebe. Bei der Insulin-Resistenz kann das blutzuckersenkende Hormon Insulin nicht mehr an den Zellen des Körpers wirken, sodass die Blutzucker-Werte erhöht sind. Dieses Phänomen ist typisch für Typ-2-Diabetes.

„Dicke Kinder“ haben demnach ein hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Aber um es mal positiv zu formulieren: Umgekehrt kann eine Gewichtsnormalisierung bei übergewichtigen, wachsenden Kindern die Insulin-Wirkung verbessern und so ihr Diabetes-Risiko senken.

Bewegungsmangel: Auch die körperliche Aktivität hat einen starken Einfluss das Diabetes-Risiko. So sind aktive Muskelzellen empfindlicher gegenüber Insulin (sog. Insulin-Sensitivität) und können Zucker (Glukose) besser verwerten. Achten Sie zum Beispiel darauf, dass sich Ihr Kind regelmäßig bewegt, zum Beispiel täglich mit dem Fahrrad zur Schule fährt oder dorthin zu Fuß geht. Bewegung hat gleich mehrere Vorteile: Aktive Kinder haben nicht nur ein geringeres Risiko, an Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken; sie werden auch nicht so schnell übergewichtig.

Hormone: In der Pubertät können auch die Hormone mit „schuld“ am Typ-2-Diabetes sein. Vor allem bei Mädchen schüttet der Körper in dieser Zeit vermehrt so genannte Wachstumshormone aus. Auch diese können die Zellen vorübergehend unsensibler gegenüber Insulin machen.

Genetische Veranlagung: Fast alle von Diabetes mellitus Typ 2 betroffenen Kinder und Jugendlichen haben einen Verwandten ersten oder zweiten Grades, der Diabetiker ist. Kommen zu dieser erblichen (genetischen) Veranlagung noch Übergewicht und Bewegungsmangel hinzu, ist das „krankmachende Trio“ perfekt: Das Risiko für den „Altersdiabetes“ in jungen Jahren steigt erheblich.

Aber keine Angst!

Nicht jeder übergewichtige Mensch – sei es Kind oder Erwachsener – entwickelt einen Diabetes. Und auch Menschen mit Normalgewicht können an Diabetes mellitus Typ 2 erkranken. Doch Sie legen den Grundstein für die gesundheitliche Entwicklung Ihres Kindes: Je früher mögliche Diabetes-Risiken von vorneherein ausgeschaltet werden, umso größer ist die Chance, dass Ihr Kind nicht in die „kindliche Altersdiabetes-Statistik“ aufgenommen wird!

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Weitere Informationen

Autor: Andrea Pütz
medproduction GmbH, www.medproduction.de
Datum: April 2010
Letzte Aktualisierung: Januar 2015
Aktualisiert durch: Simon Korn, Biologe
Quellen:
Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG):  www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de (Abruf: 01/ 2015)
Deutsche Diabetes-Forschungsgesellschaft e.V. Düsseldorf:
www.diabetes-heute.uni-duesseldorf.de (Abruf: 01/2015)
Deutsche Diabetes-Hilfe: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2013: http://www.diabetesde.org/fileadmin/users/Patientenseite/PDFs_und_TEXTE/Infomaterial/Diabetes_Gesundheitsbericht_2013.pdf (Abruf: 01/2015)
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): www.dge.de (Abruf: 01/2015)
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Nationale Versorgungsleitlinien Diabetes mellitus: www.versorgungsleitlinien.de (Abruf: 01/2015)
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